Rugby Club Worms zeigt SolidAHRität

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Innerhalb der Gemeinschaft des Rugby Clubs wurde von mehreren Seiten der Wille geäußert, die Opfer der Flutkatastrophe im Ahrtal zu unterstützen. Man war auf die Privat-Initiative „Helfer-Shuttle.de“ aufmerksam geworden. Diese sorgt dafür, dass Helfer gezielt in die betroffenen Gebiete gebracht werden. 

Als wir mit den ersten Helfern des Rugby Clubs in deren Camp eintreffen, sind wir schwer beeindruckt davon, was Privatleute hier auf die Beine gestellt haben: mehrere Gelenkbusse stehen bereits abfahrbereit, über Lautsprecher wird von Thomas, einem der Organisatoren, bekannt gegeben, welche Ziele diese als nächstes ansteuern werden, welche Helfer in welcher Anzahl noch benötigt werden, was es zu beachten gibt, wenn man in die Gebiete kommt. Wer ausschließlich seine Arbeitskraft dabei hat, wird vor Ort ausgestattet mit Gummistiefeln, Eimer, Schaufel und Sicherheitsausrüstung. Um das Camp herum zahlreiche Zelte und Wohnmobile, viele verbringen mehrere Tage hier, für sanitäre Anlagen und warme Duschen ist gesorgt. Auf den Parkplätzen stehen Autos aus allen Teilen der Republik, wir unterhalten uns mit Menschen aus Bielefeld, dem Spreewald, aus Bamberg. Schwäbischer und bayerischer Dialekt ist zu hören und einer redet so komisch wie wir, er kommt aus Lampertheim. Ein Querschnitt unserer Gesellschaft, es sind alle Altersgruppen beiderlei Geschlechts gleichermaßen vertreten. Und vor allem: es herrscht durchweg eine positive Stimmung voller Tatendrang. 

 

Da wir mit Werkzeug angereist sind, wird eine Einsatzkoordinatorin in Warnweste gleich auf uns aufmerksam, von einem Klemmbrett zieht sie einen Ausdruck, auf dem alles aufgelistet ist: Art der Aufgabe, grafische Wegbeschreibung zur Zieladresse, Handy-Nummer des Wohnungseigentümers, alles sehr strukturiert. Unser erster Einsatz führt uns nach Bad Neuenahr. Dort angekommen sind wir erschüttert. TV-Berichte können nicht darstellen, welches Ausmaß der Verwüstung dort immer noch herrscht. Auch vor dem Haus von Anke und Carsten, denen wir als Helfer zugeteilt sind, türmt sich der Schutt, dazwischen demolierte Autos und ein Schlammsee. Unser Job ist es, ein Badezimmer zu entkernen. Abwechselnd arbeiten wir mit unseren Bohrhammern, bearbeiten Wände mit dem Vorschlaghammer oder tragen eimerweise den Schutt vor das Haus. In den Pausen erfahren wir von den Eigentümern, wie sie die Flutnacht auf dem Dach ihres Hauses verbringen und zusehen mussten, wie ihre Wohnung im Erdgeschoss in kürzester Zeit überflutet wurde. Sie hatten quasi alles verloren, leben zur Zeit in einer Ferienwohnung, sind von Nachbarn mit Kleidung versorgt worden, ein Bekannter hat ihnen seinen alten Ford vermacht, ihre Autos wurden weg gespült. Sie erzählen auch von Bekannten, die weniger Glück hatten und Todesopfer zu beklagen haben. Die beiden sprechen darüber sachlich und nüchtern, ohne Wut, Zorn und Enttäuschung oder Selbstmitleid. Wir sind sprachlos, haben Respekt vor dieser Demut, arbeiten weiter bis der Shuttlebus uns abholt. Anke und Carsten sind beim Abschied sichtlich dankbar für die schnelle Unterstützung. Gerade einen Tag zuvor hatten sie beim Helfer-Shuttle um Hilfe gebeten, was zeigt, wie gut organisiert diese Privatinitiative ist. 

 

Für den nächsten Arbeitseinsatz geht es nach Altenahr. Beim Aussteigen stellt sich eine Szenerie dar, die an Bilder aus Kriegsgebieten erinnert: der Bahnsteig des Bahnhofs ist zur Hälfte weg gespült, von einer ehrwürdigen Steinbrücke über die Ahr fehlt gut ein Viertel, die Gleise darauf sind verdreht, stehen fast senkrecht. Einsatzkoordinatorin ist diesmal Ute. Sie ist Berufssoldatin und wie wir freiwillig hier. Eigentlich ist sie im Irak stationiert, den Heimaturlaub verbringt sie größtenteils an der Ahr. Routiniert teilt sie die 64 Helfer, davon 8 Wormser des RCW, in Gruppen auf, die sich die verschiedenen Bereiche des Hauses vornehmen. Komplett leer geräumt werden soll es, was in diesem Fall bedeutet, dass nicht nur Möbel heraus zu tragen sind. Das Wasser hatte bis knapp unter die Decke des Erdgeschosses gestanden, die Räume sind alle noch voller Schlamm, den wir mit Schaufeln, Eimern und Menschenketten heraus befördern müssen. Eimer um Eimer entsteht ein beachtlicher Haufen im Vorgarten, bzw. was von ihm übrig war. Daneben türmt sich der Bauschutt, als wir die Innenwände und Holzböden heraus gerissen und die schimmelige Dämmung entfernt haben. Nach unserer Vorarbeit können die bereitstehenden Bagger und schweren LKW zum Einsatz kommen. Das Schaufeln mit Maske im knöcheltiefen Schlamm und der feuchten Luft im Inneren ist mühsam und schweißtreibend, aber niemand lässt nach, der Einsatzwille aller ist enorm. Und auch hier zeigt sich die hervorragende Organisation, Getränke sind reichlich vorhanden, das Rote Kreuz versorgt uns mit einer warmen Mahlzeit, sogar heißen Kaffee gibt es im Anschluss. Am Ende des Tages sind wir alle ziemlich erschöpft auf dem Weg Richtung Sammelpunkt, doch vor allem zufrieden mit dem Geleisteten, denn wir haben unser Tagesziel erreicht. Beim Warten auf den Shuttle Bus kommen unsere Freunde vom Roten Kreuz vorbei und haben wunderbarerweise noch eine Kiste kühles Bier im Kofferraum.

 

Als wir am Abend im Camp aus dem Bus steigen, empfängt uns wie am Morgen eine Ansprache von Organisator Thomas über Lautsprecher: eloquent preist er fachkundig die „Ahrtaler Flutweine“ an, er kennt jede Hanglage und jeden Winzer persönlich und versteigert sie so zu Höchstpreisen, bietet selbst mit, um Spendengelder zu generieren. Beeindruckend. Während wir uns für das Abendessen anstellen, kommt eine neue Durchsage von Thomas: „Utes Trupp ist zurück, ihre 64 Helfer haben heute 50 Tonnen Schlamm und 25 Tonnen Unrat aus einem Haus in Altenahr beseitigt!!!“ Allein der Applaus der anderen Helfer war den Schweiß wert, geschweige denn das Bewusstsein heute etwas bewegt zu haben. 

Das Ahrtal braucht weiter Unterstützung von außen. Die Zahl der Helfer ist rückläufig, viele haben ihren Sommerurlaub geopfert aber nun sind die Ferien vorbei. Die mediale Präsenz ist nicht mehr hoch, globale Themen stehen im Vordergrund, ebenso die Bundestagswahlen. 

Der nasskalte Sommer geht in den Herbst über, die Infrastruktur ist für den Winter noch nicht vorhanden. Die Menschen dort haben Angst, dass sie vergessen werden. 

Wir werden wieder dorthin fahren.

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